Blicke sammeln 6 08/09

Eine Nachbarschaft wählt Kunstwerke aus dem Depot
Projektraum enter
25. Juli- 30. August 2009


Team(s) für Blicke sammeln 6

Nicole Gonin
Familienfrau mit fünf Kindern

Pia Schläppi
Verheiratet, ohne Kinder

Beatrice Wyler
Wohnt im Strässli, Mutter von drei Kindern

Marisa Gottardi
Cämpinglädeli- und Restaurant- Inhaberin

Björn Kunz
Wohnungsnachbar, Instruktor der CH- Armee

Martin Aegerter
Läuft fast täglich durchs Strässchen zum See


Die Gruppe

Warum haben wir bei Blicke sammeln mitgemacht?

Martin:
„Das wissen die Götter“

Björn:
„Es ist für mich wie ein Türöffner, um in die Kunstwelt und Kunstszene Einblick zu bekommen.“

Marisa:
„Ich komme aus einer Künstlerfamilie, und mich hat man immer spüren lassen, dass ich dem Künstler von der Karre gefallen bin. Aber ist es denn wirklich so schlimm, wenn man von Kunst nichts zu verstehen glaubt, und wie sind denn Künstler auf der Karre?“

Beatrice:
„Ich wollte einmal etwas anderes machen, etwas neues sehen, auch in eine andere Welt abtauchen. Vielleicht kann ich etwas lernen, da ich von Kunst nichts verstehe.“

Pia:
„Ich mache gerne etwas, das ich noch nie gemacht habe. Ich bin neugierig und arbeite gerne mit Menschen an einem Projekt. Ich liebe Kunst.“

Nicole:
„Ich bin einfach gwundrig, was alles im Depot liegt, steht und vor allem darauf wartet, endlich gezeigt zu werden. Dazu kommt mein grosses Interesse daran, was kreatives Schaffen von Menschen betrifft. Der Flyer zur Bewerbung ist mir so oft und von so verschiedenen Seiten zugefallen, dass ich mich für dieses Projekt einfach bewerben musste.“


Zur Ausstellung

Wir haben der Idee einmal den Titel gegeben: „Nachbarleben- Leben lassen“.
So taucht er jetzt nicht mehr auf, aber eigentlich erscheint er uns sehr wichtig, damit man die Ausstellung auch verstehen kann.

Als ganz unterschiedlichste Menschen, die eine mehr oder weniger enge nachbarschaftliche Beziehung pflegen, schauen wir immer wieder gerne über den grenzgebenden, trennenden Gartenzaun. „Mir luege über ä Gartehaag“. Wir dürfen es wagen, neugierige Blicke auf andere Wände zu werfen, über die selbstbestimmten Grenzen hinweg zu schauen.; die Anteilnahme ist sogar Voraussetzung, damit alle einen Platz zum Wohlfühlen finden.
Aus bescheidenem Wissen, oft nur auf Annahmen und eigenen Projektionen basierend, kreieren wir uns Bilder davon, wie jemand ist, wie es dort vielleicht aussieht.
In diesem Fall jetzt, wer welches Bild warum aufhängen will.
Mit unserem Projekt möchten wir darauf aufmerksam machen, sichtbar machen, dass man sich aber sehr wohl täuschen kann. Dass wir Vorurteile haben und Unterstellungen machen, welche doch eher trennende Eigenschaften in sich haben. Toleranz, Grosszügigkeit, Empathie und Offenheit im Gegensatz dazu beitragen, „Wohlfühlklima“ zu bilden.

Dafür haben wir die sechsköpfige Gruppe aufgeteilt. Zwei Personen bilden, wenn auch künstlich einen Mittelpunkt Dazu kommen die vier gemeinsamen Nachbarn. Jeder dieser vier Personen wird eine Wand zugeteilt, da wird das Werk gezeigt, das sie jeweils unabhängig von einander für sich selber aus dem Depot ausgewählt haben. Sie stellen damit „richtig“, was die beiden anderen der Zweiergruppe für sie auswählen und Ihren Werken gegenüberstellen.
Passt es, treffen wir es, wo entstehen Gegensätze, wo täuschen wir uns, wo findet sich Harmonie?
Es ist wohl keine schöne „Wohlfühl- Ausstellung“ im herkömmlichen Sinn entstanden. Grösse, Farbe, Stil, Zeit, Technik passen auf den ersten Blick vielleicht nicht zusammen. Wir haben uns die Freiheit genommen, dass die Werke Menschen repräsentieren, und dem gegenüber eine Projektion steht. Es ist gut möglich, dass diese Ausstellung nicht den klassischen Ausstellungskriterien entspricht. Es darf „nicht stimmen“, wir dürfen uns getäuscht haben. Gut sichtbar machen, dass wir Mut haben, einander so stehen zu lassen, wie wir eben auch sind.


Publikation

Nachbarleben- Leben lassen

Der Titel scheint uns wichtig, damit man das Ausstellungsprojekt versteht. Als unterschiedliche Menschen, die eine mehr oder weniger enge nachbarschaftliche Beziehung pflegen, schauen wir immer wieder gerne über den Grenzen ziehenden, trennenden Gartenzaun. Aus Nicht- Wissen, oft nur auf Annahmen und eigenen Projektionen basierend, kreieren wir uns Bilder davon, wie jemand ist, wie es dort vielleicht aussieht- was wem gefällt. Mit einem Blick über den Gartenzaun wagen wir, einmal genauer hinzuschauen. Wie sieht es denn mit unserer unmittelbaren Nachbarschaft aus? Mit diesem Projekt wollen wir darauf aufmerksam machen und zeigen, dass man sich sehr wohl täuschen kann. Wir haben Vorurteile und machen Unterstellungen, die eher trennende Eigenschaften an sich haben. Im Gegensatz dazu braucht es Toleranz, Grosszügigkeit, Empathie und Offenheit. So kann vielleicht ein „Wohlfühlklima“ entstehen. Die sechsköpfige Gruppe haben wir aufgeteilt:
Zwei Personen, Nicole und Pia bilden den willkürlichen Mittelpunkt. Beatrice, Björn, Marisa und Martin sind die gemeinsamen Nachbarn. Jedem dieser vier Personen wird eine Wand zugeteilt. An dieser wird das Werk gezeigt, das sie jeweils unabhängig von einander, jeder für sich selber aus dem Depot ausgewählt haben. Sie stellen damit richtig, was Nicole und Pia für sie auswählen und ihren Werken in der Mitte des Raumes gegenüberstellen. Stimmt das Bild, das wir (Nicole und Pia) uns gemacht haben? Wo entstehen Gegensätze? Wo täuschen wir uns? Wo findet sich Harmonie? Grösse-Farbe-Stil-Zeit und die Technik der Exponate passen auf den ersten Blick vielleicht nicht zusammen. Wir haben uns die Freiheit genommen, dass die Werke Menschenrepräsentieren. Es darf nicht stimmen! Wir dürfen uns täuschen! Wir dürfen so sein, wie wir sind! Sichtbar machen, dass wir den Mut haben, uns selber zu sein und das Nachbarleben- Leben lassen!

Es kostete Mut, die Nachbarn anzufragen, ob sie bei diesem Projekt mitmachen würden. In den vorangehenden Treffen, beim Gruppenzusammenstellen, haben wir festgestellt, wie schwierig es ist, vorurteilslos zu sein. Es war klar, dass wir nicht die einfachen oder bequemen Nachbaren einbeziehen wollten. Die Reaktionen waren dem entsprechend unterschiedlich. Einigen konnten wir nicht verständlich machen, was unser Ziel war, andere sagten zu, ohne genau zu wissen, worauf sie sich einlassen würden. Das hat uns überrascht.

Erlebtes während des Projektes:
Alle Menschen, in unserem Fall die Nachbaren, haben ihren eigenen Zugang zur Kunst. Ja, was ist denn überhaupt Kunst? Kunst ist für sie nicht definiert, nicht bestimmt; Hat auch keine bewussten Kriterien. Jeder steht im Leben woanders. Kunst steht in Abhängigkeit zum Alter, zur Lebenserfahrung, zum Wissen/Nichtwissen, -zur bisherigen Auseinandersetzung jedes Einzelnen überhaupt mit Kunst.
Unsere Aufgabe war es, alle dort abzuholen, wo sie zur Zeit standen.
Und trotzallem ist es uns gelungen, in einem einzigen Raum interessante Ausstellungskriterien zu zeigen.

Die Werke: Die Nachbarn:
schwarz- weiss/Farbig traditionell/ liberal
Malerei, Skulpturen, andere moderne Techniken neugierig/gleichgültig
Einzelwerk/Serie Individuum/Gruppe
harmonierend/störend ergänzend/trennend
einnehmend/zurückhaltend annähernd/distanzierend
ausladend/klein laut/leise, zart/heftig, mutig/ängstlich

Dies wiederspiegelt die Nachbarschaft. Es gab Nähe, die überraschte, und Vorurteile, die sich bestätigten.Es entstand der Eindruck eines Gleichgewichts. Ein Spiel von Nähe und Distanz. Das „Wohlfühlklima“ wird wohl irgendwo zwischen offen- distanziert, tolerant-kleinlich, grosszügig-missgünstig und empathisch- kaltherzig stattfinden.
Wir alle sind selber dafür verantwortlich, wie wir unsere Lebensräume öffnen und begrenzen, wem wir sie wie zur Verfügung stellen. Eine wahre Kunst!

Nicole Gonin
Pia Schläppi